Bauernproteste
Bauernproteste
Was steckt wirklich dahinter
Als es hieß, am Montagmorgen treffen sich die Landwirte aus der Gegend am Rathaus, war der Verfasser vor Ort. Kurz vor acht. Viel Polizei, zunächst kaum ein Trecker zu sehen. Ein Reporter von Radio Bielefeld startete den Versuch eines Interviews mit dem Organisator der Sternfahrten rund um Bielefeld mit wenig sachbezogenen Fragen. Sondern er erkundigte sich viel mehr danach, wie der Landwirt sich fühle. Dieser reagierte leicht irritiert. Er hatte wahrscheinlich mit anderen Themen gerechnet. Der Verfasser konnte leider auch nur kurze Statements mit einem anderen Landwirt austauschen. Dann ging es schon wieder weiter. Nach kurzer Zeit herrschte um das Rathaus herum wieder Normalität. Die Polizei begleitete die gut 40 Traktoren und sperrte den Verkehr. Alles lief ruhig, sehr geordnet und professionell.
Ab 19:00 sollte dann ein weiteres Treffen in Brackwede stattfinden. Das gleiche Spiel. Keine Bauernkundgebung, keine Möglichkeit zu einem Gespräch.
Am Donnerstag gab es schließlich die Gelegenheit, sich mit den Landwirten bei einer Informationsveranstaltung in Vilsendorf auszutauschen. Leider waren nur wenige Bürger anwesend. Nach Begrüßung und einigen einführenden Worten gab es reichlich Gelegenheit zu Fragen und Diskussion. Anwesend waren auch eine Vertreterin der Zeitung Westfalen-Blatt und einer wöchentlich erscheinenden Landwirtschaftszeitung.
Schnell stellte sich heraus, dass KFZ-Steuer und schrittweise entfallende Diesel-Steuervergünstigungen nur die Spitze des Eisberges der Bauernproteste sind. Es gab sachliche Kritik an den Kompetenzen der Vertreter von EU und Bund und der damit verbundenen Fehl- und Überregulierung. Ein teilnehmender Landwirt fasste es so zusammen: „Jedes Jahr ist anders, jeder Boden ist anders, jedes Tier ist anders und jede Region ist anders. Aber die EU tut, als ob in ganz Europa stets überall die gleichen Bedingungen herrschen würden. Der Landwirt kann so nicht flexibel auf Umgebungsbedingungen reagieren. Die unterschiedlich strenge Auslegung von EU-Richtlinien in den verschiedenen Mitgliedsstaaten verzerrt darüber hinaus den internationalen Wettbewerb.“
Investitionssicherheit ist aufgrund sich häufig überholender Vorschriften kaum gegeben. Der solide Rahmen, in dem ein landwirtschaftliches Unternehmen handeln und planen kann, fehlt weitestgehend. Einig war man sich in einem weiteren Punkt: „Landwirt könnte der (wörtlich) geilste Beruf der Welt sein, wenn man nur vernünftig handeln dürfte.“
Bis Donnerstagabend wusste der Verfasser noch nicht, dass jedes Feld alle 5 Tage zu Kontrollzwecken überflogen wird, um mit Hilfe von Satellitenbildern zu garantieren, dass alle Agrarverordnungen eingehalten werden. Welch eine Bürokratie.
Außerdem wird er in Sachen Landwirtschaft am Ball bleiben um sich in Sachen Ökologie, Chemie und Gülle ein detaillierteres Bild zu verschaffen.
Nachtrag: Die Bundesregierung hat am 18.01.2024 alle, während der Protesttage, angekündigten steuerlichen Maßnahmen, beschlossen. Jetzt wollen die Bauern sich ohne den Bauernverband selbst organisieren. Weitere Bauernproteste sind auch in den EU-Nachbarstaaten angelaufen.
- Jochen König