Brandstifter im gemeinsamen Haus Europa
Brandstifter im gemeinsamen Haus Europa
Ein Beitrag der Redaktion der dieBasis Bund vom 04.10.2023, Redaktion (nsf) AG Frieden, Allgemein
von Michael Aggelidis und Florian Pfaff, Sprecher der AG Frieden
NATO-Generalsekretär Stoltenberg hat in einer Rede am 7. September im EU-Parlament ¹ offen zugegeben, was außerhalb Deutschlands eigentlich schon jeder weiß: „Putin zog in den Krieg, um eine NATO-Präsenz nahe seinen Grenzen zu verhindern. Er erreichte das Gegenteil.“ („So he [Putin] went to war to prevent NATO, more NATO, close to his borders.“)
Der Ukraine-Krieg ist also, wie Stoltenberg selbst erklärt, die logische militärische Konsequenz der NATO-Osterweiterung bis an die ukrainisch-russische Grenze, welche nichts anderes war als eine Ausweitung US-amerikanischer Erstschlagskapazität gegen die Russische Föderation. (Stoltenbergs Rede im englischen Original:
https://www.nato.int/cps/en/natohq/opinions_218172.htm?selectedLocale=en)
NATO-Generalsekretär Stoltenberg ist also der Meinung, dass der russische Einmarsch in die Ukraine weder „unprovoziert“ war, noch der Errichtung eines neuen russischen Zarenreiches dient. Im Osten Europas tobt ein Krieg, weil die NATO russische Sicherheitsinteressen wieder und wieder missachtet hat – also die Russische Föderation bewusst und gezielt provozierte. Die NATO nutzt den Krieg, um „das Gegenteil“ dessen zu tun, was die russische Regierung noch Ende 2021 in ihrem Angebot für einen Sicherheitspakt vorschlug, nämlich, „dass die USA und ihre Verbündeten keine militärischen Stützpunkte in Nicht-NATO-Ländern installieren, die einmal Teil der Sowjetunion waren. Außerdem solle das Bündnis seine Truppen auf die Positionen von 1997 zurückziehen, also vor dem Beginn der Osterweiterung“. (Quelle: ZEIT v. 17.12.2021 ²)
Die NATO-Staaten haben den Geist des Zwei-Plus-Vier-Vertrages von 1990 verraten. Der Vertrag verpflichtete die damals existierenden beiden deutschen Staaten und die vier Siegermächte UdSSR, Frankreich, Großbritannien und USA, ein gegenseitiges friedliches Miteinander zu fördern, die Sicherheitsinteressen eines jeden zu berücksichtigen, sich gegenseitig nicht als Gegner zu betrachten und auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit hinzuarbeiten. Erklärtes Ziel des Zwei-Plus-Vier-Vertrages war ein „Gemeinsame Haus Europa von Wladivostok bis Lissabon“. Die Ost-Erweiterung der NATO unter Federführung der USA ist ein Bruch des Zwei-Plus-Vier-Vertrages und damit eine Verletzung auch des deutschen Interesses an Frieden in Europa. Dass Stoltenberg dies nun offen zugibt, ist insofern hilfreich, als es zur Versachlichung der Debatte in Deutschland beitragen kann.
„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“ (Egon Bahr, 2013)
Theoretisch hat die deutsche Justiz ein effektives Mittel um Stoltenbergs Aussagen aus der öffentlichen Debatte herauszuhalten. Jeder, der Stoltenbergs Sicht wiederholt, der also den russischen Einmarsch in die Ukraine nicht als „unprovoziert“ einordnet, kann in Deutschland wegen „Verharmlosung eines Angriffskrieges“ angeklagt werden, was auch vereinzelt passiert (z.B. in Düsseldorf: htpps://www.freidenker.org/?p=16970).
Man darf gespannt sein, ob ein deutscher Staatsanwalt Anklage gegen den NATO-Generalsekretär erheben wird, nachdem dieser den russischen Einmarsch mit russischen Sicherheits- statt Großmachtinteressen erklärt hat. Besser wäre natürlich: darüber reden.
Quellen:
¹ https://www.nato.int/cps/en/natohq/opinions_218172.htm
² https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-12/ukraine-konflikt-russland-nato-sicherheitspakt?utm
³ https://www.other-news.info/nato-admits-that-ukraine-war-is-the-war-of-nato-expansion/
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