Nancy Faeser: Demokratie und Eigentor

Orwell

Nancy Faeser: Demokratie und Eigentor

Der Verfasser wundert sich an dieser Stelle, wenn er kritische Stimmen zum Demokratieverständnis unserer Innenministerin aus dem ZDF wörtlich übernehmen kann.

Faeser-Pläne: Meinungsfreiheit in Gefahr?          

von H. Slansky, D. Rzepka    
11.03.2024 | 12:00

Wer den Staat verhöhnt, muss es mit einem starken Staat zu tun bekommen, so Ministerin Faeser. Werden unliebsame Ansichten bekämpft? Kritiker sehen die Meinungsfreiheit in Gefahr.

Will Faeser kritische Meinungen unterdrücken?

Faeser sagt:

Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen.

Der Präsident des Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang (CDU), ergänzt: „Wir dürfen nicht den Fehler machen, im Rechtsextremismus nur auf Gewaltbereitschaft zu achten, denn es geht auch um verbale und mentale Grenzverschiebungen. Wir müssen aufpassen, dass sich Denk- und Sprachmuster nicht in unsere Sprache einnisten.“

Verfassungsrechtler sind alarmiert. Faeser negiere die Meinungsfreiheit, ihm werde um die Demokratie Angst und Bange, kritisiert Volker Bohme-Neßler im ZDFheute-Interview. „Man hat so richtig das Gefühl, Frau Faeser ist auf einer Mission, sie kämpft gegen den Rechtsextremismus. Und alles, was im Weg steht, wird beiseite geräumt.“

Die Freiheit der Ideen ist die Essenz von Demokratie, sagt Verfassungsrechtler Volker Boehme-Neßler. Er kritisiert Innenministerin Nancy Faeser (SPD).10.03.2024 | 1:02 min (Videobeitrag).

Warum sich Kritiker an die DDR erinnert fühlen

Kritik gibt es insbesondere an dem Begriff der Delegitimierung des Staates. Er sei vom Verfassungsschutz eingeführt worden und schwammig, sagt Verfassungsrechtler Josef Franz Lindner.

Es bestehe die Gefahr, dass pointierte und überspitzte Kritik an Politik, Staat und Regierung künftig als Delegitimierung eingestuft – und so zum Fall für den Verfassungsschutz würde. Dem Staat komme aber keine Deutungshoheit über den Begriff zu.

Der ehemalige Kultus- und Finanzminister von Mecklenburg-Vorpommern, Mathias Brodkorb (SPD), fühlt sich gar an die DDR erinnert. Dort habe es den Begriff der staatsfeindlichen Hetze gegeben. Im Jahr 2024 solle die Bundesrepublik auf repressive Elemente verzichten:

Es geht darum, die Probleme zu lösen, die es in diesem Land gibt und mit Kritikern vernünftig zu reden und von einer anderen Meinung zu überzeugen.

Mathias Brodkorb, SPD

Organisationen, die sich für die Stärkung der Demokratie einsetzen, sollen regelmäßig Geld bekommen – doch die Ampel ist uneins, wer eigentlich gefördert werden soll. 25.02.2024 | 2:38 min (Videobeitrag).

Zoff in der Koalition droht

Faeser will auch zusammen mit Familienministerin Lisa Paus (Grüne) für die wehrhafte Demokratie eintreten. Beide propagieren das ebenfalls umstrittene Demokratiefördergesetz. Organisationen, die sich für die Stärkung der Demokratie einsetzen, sollen regelmäßig Geld bekommen – doch die Ampel ist uneins, wer eigentlich gefördert werden soll.

Die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg kritisiert, politische Bildung, Prävention gegen Radikalisierung oder Beratung von Opfern sei Aufgabe der Länder und nicht des Bundes. „Insofern ist dieses Demokratiefördergesetz die falsche Antwort auf die Herausforderung für die liberale Demokratie“, sagt Teuteberg – und kritisiert die Haltung, die hinter der Idee des Gesetzes steht:

Wer die Demokratie schützen will, sollte sich selbst in den Grenzen des Grundgesetzes bewegen und sich an dessen Prinzipien halten.

Linda Teuteberg, FDP

Setzt sich die Regierung über die Verfassung hinweg? Unterwegs auf schmalem Grat – im Dienst der vermeintlich guten Sache.

https://www.zdf.de/nachrichten/politik/faeser-meinungsfreiheit-kritik-demokratie-100.html

Und nun noch das Demokratieförderungsgesetz. Unter dem nachfolgenden Link https://dserver.bundestag.de/btd/20/058/2005823.pdf steht der Originaltext zur Verfügung. „Der Bundestag hat am Donnerstag, 16. März 2024, erstmals einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur „Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politischen Bildung“ (20/5823) beraten. Im Anschluss an die Aussprache wurde der Gesetzentwurf in die Ausschüsse überwiesen. Die Federführung soll der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend übernehmen.

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Ziel des Gesetzes ist es laut Bundesregierung „die Demokratie in Deutschland als Gesellschaftsform und Grundlage des Zusammenlebens zu schützen, weiter zu gestalten und für aktuelle und zukünftige Herausforderungen zu stärken“. Die Gestaltung und Förderung der Demokratie sowie die Achtung von Recht und Rechtsstaatlichkeit sei aber nicht allein staatliche Aufgabe, sondern ein gemeinsames Anliegen des Staates und einer lebendigen, demokratischen Zivilgesellschaft, heißt es in dem Gesetzentwurf.

Zur Stärkung der Demokratie, zur politischen Bildung, zur Prävention jeglicher Form von Extremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sowie zur Gestaltung von gesellschaftlicher Vielfalt und Teilhabe wolle der Bund zukünftig auf Grundlage eines ausdrücklichen gesetzlichen Auftrags bundeseigene Maßnahmen durchführen sowie Maßnahmen Dritter fördern, „sofern sie von überregionaler Bedeutung sind und in erheblichem Bundesinteresse liegen“.

Die gesetzliche Verankerung gewährleiste die notwendige Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen und die damit verbundene nachhaltige Absicherung der Maßnahmen im Bereich der Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politischen Bildung.

Planungssicherheit für Bund und Zivilgesellschaft

Damit einher gehe ein Zuwachs an Planungssicherheit für den Bund und die Zivilgesellschaft, schreibt die Bundesregierung. Der Zuwachs an Planungssicherheit ermögliche es, mit dem Gesetz einen wirkungsvollen Beitrag zur Förderung des gesellschaftlichen Engagements im Bereich der Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention, politischen Bildung sowie der Vermittlung rechtstaatlicher, demokratischer und freiheitlicher Werte und des „Empowerments“ zu leisten. Damit trage das Gesetz dazu bei, der Entstehung demokratiefeindlicher Phänomene und extremistischer Tendenzen frühzeitig entgegenzuwirken, Radikalisierungsprozesse rechtzeitig zu unterbrechen und umzukehren sowie „wichtige Beratungsleistungen“ in diesem Themenfeld weiter auszubauen.

Des Weiteren werde durch eine längerfristige Förderung von Maßnahmen gewährleistet, dass zivilgesellschaftliche Akteure „bereits bewährte Strukturen“ nicht nur aufrechterhalten, sondern vor allem auch weiterentwickeln werden können, „um den sich teils wandelnden gesellschaftlichen Herausforderungen Rechnung tragen zu können“. (hau/16.03.2023)

https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw11-de-demokratiefoerdergesetz-936484

Der Verfasser ist Demokrat und Freund unseres Grundgesetzes. Deshalb warnt er vor dem folgenden Konstrukt: Wer brav dem Mainstream folgt und ihn propagiert wird dafür bezahlt, wer Kritik übt, bekommt es mit § 90a StGB zu tun:

  • 90a (Auszug)

Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole

„…. wer die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft oder böswillig verächtlich macht …wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Hier fragt sich der Verfasser, an welcher Stelle zwischen grundgesetzlich garantierter und freier Meinungsäußerung und Verunglimpfung des Staates differenziert wird.

Zur Erinnerung. Der Justizminister ist gegenüber der Staatsanwaltschaft eingeschränkt weisungsbefugt: Diese Weisungsbefugnis wird derzeit überarbeitet:

Das BMJV kündigte deshalb eine Neuregelung an. Der Referentenentwurf liegt nun vor. Das BMJV hatte ihn bereits vor einigen Tagen auf der Ministeriumshomepage veröffentlicht – dort ist er bislang aber ziemlich unbemerkt geblieben. Der Entwurf sieht eine Ergänzung des § 147 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) vor. Bisher ist in § 147 GVG lediglich geregelt, dass das Recht der Aufsicht und Leitung hinsichtlich des Generalbundesanwalts und der Bundesanwälte der Bundesjustizministerin zusteht und der Landesjustizverwaltung hinsichtlich aller staatsanwaltschaftlichen Beamten des Landes.

Grenzen für das Weisungsrecht und Dokumentationspflicht

Mit der Ergänzung soll klargestellt werden, dass Weisungen nur zulässig sind, „soweit in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht ein Entscheidungs- oder Beurteilungsspielraum besteht, sowie im Bereich der Ermessensausübung“, so der Wortlaut des neuen § 147 Abs. 2 GVG. Außerdem heißt es: Weisungen ergehen „frei von justizfremden Erwägungen“.

Ob diese unklaren Formulierungen ausreichenden Schutz vor möglicher Willkür bieten, wagt der Verfasser zu bezweifeln.

Siehe auch: dieBasis Aktuell 01/ 2023