Wie unabhängig ist die deutsche Staatsanwaltschaft?
Wie unabhängig ist die deutsche Staatsanwaltschaft?
Art. 20 II S. 2 des Grundgesetzes sieht Gewaltenteilung vor, also Legislative (Parlamente), Judikative (Gerichte) und Exekutive (Behörden). Im Folgenden geht es um die Betrachtung der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft innerhalb dieses Konstrukts.
„Die Staatsanwaltschaft zeichnet sich verantwortlich für die Strafverfolgung und die Strafvollstreckung in der Bundesrepublik Deutschland. Sie versteht sich als eine weisungsgebundene Behörde, ist Teil der Rechtspflege. Sie wird Ermittlungsverfahren leiten, wird die Anklage beim zuständigen Strafgericht in die Wege leiten und die Anklage vertreten. Kommt es zu einem Urteil im Rahmen des Erwachsenenstrafrechts, obliegt ihr auch der Vollzug der ausgesprochenen Strafe.“
https://www.juraforum.de/lexikon/staatsanwaltschaft
Soweit die Theorie. Was bedeutet das für die Praxis?
$ 146 (Weisungsgebundenheit) GVG (Gerichtsverfassungsgesetz) besagt
„Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen.“
Im Klartext: Der Justizminister ist der höchste Vorgesetzte der Staatsanwaltschaft. Er hat die endgültige Entscheidungsgewalt über Eröffnung oder Nichteröffnung eines Verfahrens. Hier ist ernsthaft zu hinterfragen, wie weit die grundgesetzlich vorgegebene Gewaltenteilung durch diese Regelung eingehalten wird. Wenn der Justizminister (Legislative) dem Staatsanwalt (Judikative) vorschreiben kann, welches Ermittlungsverfahren zu eröffnen ist oder nicht, dann ist das zunächst einmal eine Überschneidung. Und genau diese Überschneidung ermöglicht die Einteilung in politisch gewollte und politisch nicht gewollte Verfahren.
Auch auf europäischer Ebene wird dieses Problem behandelt.
„Der EuGH zweifelt an der Unabhängigkeit unserer deutschen Staatsanwaltschaften – zumindest, wenn diese im Zusammenhang mit Europäischen Haftbefehlen (EuHB) tätig werden. Bereits 2019 hatte das europäische Gericht entschieden, dass deutsche Staatsanwaltschaften keine Europäischen Haftbefehle ausstellen dürfen. Grund für diese Entscheidung ist das Weisungsrecht der Justizministerien. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) strebt daher eine Gesetzesänderung an. Sie will aufgrund der Entscheidung des EuGH das Weisungsrecht von Justizministerien einschränken.“
Heute ist Marco Buschmann von der FDP Justizminister. Passiert ist inzwischen wenig oder gar nichts, obwohl auch der Deutsche Richterbund aktiv wurde.
Der Deutsche Richterbund – Bund der Richter und Staatsanwälte – Landesverband Berlin e.V. hat daher mit Schreiben an den Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung vom 28. Mai 2018 den Berliner Senat aufgefordert, umgehend einen Gesetzentwurf zur Abschaffung des in den §§ 146, 147 Nr. 1 und 2 GVG verankerten externen Weisungsrechts der Justizverwaltungen gegenüber den Beamten der Staatsanwaltschaften in den Bundesrat einzubringen.
So bleibt dem Verfasser nur die Frage: Wieso fürchtet sich die Politik vor unabhängigen Staatsanwaltschaften?
- Jochen König